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Amani kam plötzlich zu mir, unerwartet an einem Samstag Morgen im Spätsommer. Eigentlich hätte ich damals genügend andere Sorgen als ein Pferd gehabt. Aber das Telefon klingelte einfach und ich war Besitzer eines asilen Arabers.

In den folgenden Wochen musste ich mich nicht nur mit Amani zusammenraufen sondern auch meine Kenntnisse über Pferde aktualisieren. Mit gewohnter wissenschaftlicher Gründlichkeit beobachtete ich den Hufschmied bei seiner Arbeit und fragte ihn aus, sah Tierärzten bei ihren Untersuchungen über die Schulter, informierte mich über die Anatomie von Pferden und praktizierte Stallarbeit. Diverse Seminare über Pferdemedizin und Hufpflege haben mich dabei unterstützt.

 

Bei all diesen Dingen war Amani mein geduldiger Lehrer und ist es auch heute noch. Er wusste immer, wo meine Grenzen waren und überschritt sie nie. Statt dessen ertastete er vorsichtig meine Fähigkeiten und verlangte regelmäßig etwas mehr, ohne mich dabei jemals in Gefahr zu bringen oder auch nur zu ängstigen. Dabei konnte ich mich beständig fortentwickeln und gewann sowohl seinen Respekt als auch Achtung vor seiner edlen Herkunft.

In unseren ersten beiden Jahren konnten wir so zu einem Team wachsen, in dem sich nicht nur einer auf den anderen verlassen, sondern jeder auch seine Eigenheiten bewahren kann. Die indianische Reitweise, bei der Vier- und Zweibeiner auf Augenhöhe ohne Hufeisen, ohne Gebiss und ohne Sporen mit einander kommunizieren, ist dabei unser gemeinsamer Weg.

 

Zwischenzeitlich hatten Amani und ich uns auch für einen neuen Stall entschieden. Wir besaßen mittlerweile genügend Vertrauen zueinander, um den Umzug nicht im Anhänger sondern mit einem langen Ritt durch verschneite Hügel und winterlichen Wald durchzuführen. Die kleinen Fährnisse auf dem uns beiden unbekannten Weg wie Eisflächen, Eisenbahnbrücken und Straßentunnel bewiesen mir, dass Amani ein absolut verlässliches und nervenstarkes Pferd ist und zeigten ihm, dass er mir inzwischen auch als Führer vertrauen kann.

Eine besondere Freude war für Amani das Wiedersehen mit seinem Cousin Muhammad Ali, genannt Saijan, von dem er nach dem Umzug zwei Monate getrennt war, nachdem die beiden Freunde sich erst wenige Monate zuvor nach einjähriger Trennung wiedergetroffen hatten. Besonders Saijan war die Trennung sehr schwergefallen und er hatte mit Depressionen und Selbstverletzung reagiert. Noch heute höre ich sein klagendes Wiehern, als wir den Hof verließen, um zu unserem neuen Stall zu reiten, das uns begleitete, bis wir außer Hörweite waren. Um so mehr Freude bereitete es dann, die beiden Freunde wieder täglich beim gemeinsamen Spiel zu beobachten.

Irgendwann hat Amani mir einmal gezeigt, was die arabische Legende mit "Fliegen ohne Flügel" meint. Sein Potential an Schnelligkeit und Ausdauer ist schier unglaublich und im gestrecktem Galopp gibt er seinem Zweibeiner das Gefühl auf einem fliegenden Teppich zu sitzen, egal, ob er über ein Hindernis springt oder es in halsbrecherischen Kurven trittsicher umgeht. Seitdem habe ich erfahren, was es bedeutet, unendlich glücklich zu sein. 

Schon nach einem Jahr mussten Amani und Saijan sich erneut  von einander verabschieden. Zum Glück hatte Saijan jetzt viele neue Freunde gefunden, die ihm die Trennung weniger schwer machten. Amanis und mein Weg hat uns einige hundert Kilometer nach Süden geführt, wo wir gemeinsam neues Terrain erkunden.

Natürlich vergeht nach wie vor kaum ein Tag, an dem wir nicht einen Ausritt in den Wald unternehmen oder übermütig über ein freies Feld galoppieren. Hin und wieder legen wir einen Trainingstag auf dem Reitplatz ein und an Tagen mit ganz üblem Wetter genügt es uns auch, gemeinsam in seiner gemütlichen Box im Stroh zu liegen und nur die gegenseitige Nähe zu spüren.

Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Uncle "Big" Louie, der mich in die indianische Pferdearbeit nach der Tradition seines Volkes, der Assiniboine, eingeführt hat. Die Zeit auf seiner Ranch in der "Whitebear" First Nation Reservation in Carlyle, SK,  bleiben mir unvergessen.